25. Februar 2017

Die Muskelfaszie: Altbekanntes gelangt zu neuer Bedeutung

Was sind Faszien?

Wer sein Steak aufmerksam betrachtet, hat sie schnell entdeckt: Die Muskelfaszie. Es handelt sich um diese weiße widerstandsfähige „Haut“, die wie eine „Hülle“ um das Fleisch gewickelt ist

Steak mit Faszie
Steak mit Faszie

Bezüglich des menschlichen Muskels wird von einem modularen Aufbau gesprochen: Von außen können wir beispielsweise den Bizeps als Ganzen erkennen. 

Der Muskel ist aus vielen Muskelfaserbündeln (Faszikel) aufgebaut, welche wiederum aus vielen Muskelfasern bestehen. Um jede dieser einzelnen Einheiten ist eine Hülle – eine Art „Verpackung“ – gewoben. 

Rückenfaszie
Rückenfaszie

Bundles of muscle fibers, called fascicles, are covered by the perimysium. Muscle fibers are covered by the endomysium.

Die Hülle, die den ganzen Muskel umschließt heißt Epimysium. Die Hülle um ein Muskelbündel wird Perimysium genannt. Die Hülle um die Muskelfaser nennt sich Endomysium.

Diese Hüllen sind straffes resistentes Bindegewebe und werden auch als Faszie oder Muskelfaszie bezeichnet.

Menschlicher Rücken. Aus: Willard, Vleeming, Schuenke, Danneels & Schleip (2012)

Das lateinische Wort bedeutet „Band“ oder „Bündel“.

Die Faszien bilden ein riesiges Netzwerk, das den ganzen Körper durchzieht.

Es macht schätzungsweise 20% unseres Körpervolumens aus (Schleip, 2015).

Welche Rolle spielt die Faszie für Kraft und Beweglichkeit?

Das Muskelsystem des Menschen besteht aus drei grundlegenden Komponenten:

1. Aktives (kontraktiles) Gewebe: Diese Einheiten werden unter Energieverbrauch aktiv bewegt und verursachen so Muskelkontraktionen bzw. Bewegungen.

2. Passives elastisches Gewebe, das zum kontraktilen Teil hintereinander angeordnet ist. Dazu zählen z.B. die Sehnen, die den kontraktilen Teil (Muskeln) mit dem Knochen verbinden.

3. Passives elastisches Gewebe, das parallel zum kontraktilen Teil angeordnet ist. Hierzu zählen die oben beschriebenen Faszien.

"Eine Faszie kann keine Bewegung ausführen. Aber sie kann Bewegungen verhindern !"

Die passiven Strukturen des Bewegungsapparates haben folgende Hauptfunktionen:

· Kraftübertragung vom aktiven Muskelgewebe auf Sehne und Knochen.

· Speicherung kinetischer Energie.

· Richtungsführung des Muskels; vergleichbar mit einer Schiene.

Strecken wir Beispielsweise unseren Arm nach hinten geschieht dieses zunächst durch aktive Muskelkontraktionen. Je weiter der Arm nach hinten gedehnt wird spüren wir einen zunehmenden Widerstand als Dehnungsschmerz. 

Hierbei spielt das elastische Bindegewebe eine Rolle. In gewisser Hinsicht gleicht dieser Vorgang dem Spannen eines Bogens. Für die anschließende Rückführung nach vorne steht neben aktiver Muskelkraft in die Gegenrichtung nun auch noch zusätzlich gespeicherte Energie aus dem Bindegewebe zur Verfügung.

Bei Bewegungen lässt sich die Rolle des Bindegewebes also auch mit einer Feder vergleichen: Die zähen Faszien unterstützen Bremsvorgänge (z.B. bei einem Niedersprung), speichern kinetische Energie und erleichtern so die Umkehrbewegung. Das Känguru ist ein Paradebeispiel für sehr gut funktionierendes Zusammenspiel von aktiver Muskelkraft und den passiven elastischen Elementen.

Bindegebe bzw. Muskelfaszien spielen also eine wichtige Rolle bei der Kraftübertragung. Außerdem sind sie ein wesentlicher Faktor für die Beweglichkeit.

Was gibt’s Neues zu den Faszien?

Kaum verwunderlich liegt die Entdeckung von den anfangs beschriebenen Faszien bereits lange zurück. Es benötigte schließlich lediglich das aufmerksame Sezieren von Fleisch.

In der Physiotherapie wurden bereits in den 1980er von Dr. Ida Rolf Massage-Techniken zur Behandlung der Faszien entwickelt („Rolfing“).

Die aktuelle Forschung rund um Muskelfaszien hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt gewonnen. Es ist von einer regelrechten „Aufbruchsstimmung“ unter Wissenschaftler die Rede (Schleip, 2015). Durch neuere Diagnoseverfahren wie verbesserte Ultraschallmethoden öffnete sich nämlich eine Tür zu einem neuen großen Feld der Wissenschaft.

2007 fand der erste internationale Fascia Research Congress statt. Auf diesem Kongress wurde ein entscheidender Moment geprägt: Wissenschaftler definierten den Begriff „Faszie“ neu und einheitlich. Der oben beschriebene Begriff war der Medizin entnommen (Histologie / Anatomie).

Nun einigte man sich auf eine breitere Anwendung des Begriffs „Faszie“: Unter funktionalen Faszien versteht man nun alle Bestandteile des Bindegewebes, das unter Zugspannung eine Rolle spielt. Dazu zählen nicht nur die intramuskulären „Hüllen“ um die Muskeleinheiten, sondern auch Sehnen, Sehnenplatten und Gelenkkapseln (Hutterer, 2015). 

Kurz gesagt: Alles was nicht aktiv bewegt werden kann, aber bei Bewegung eine wesentliche Funktion hat.

Tatsächlich werden aktuell jährlich Hunderte von wissenschaftlichen Artikel und Studien zum Thema veröffentlicht. Zuletzt wurde 2016 auf dem deutschen Sportärztekongress über das Thema referiert.

Im Zentrum stehen dabei die Fragen:

· Welche Rolle spielen die Faszien bei Schmerzen?

· Welche Rolle spielen die Faszien für die Leistungsfähigkeit?

· Welche Trainings- und Therapieformen sind sinnvoll?

Wenn die Faszien Probleme bereiten

Faszien spielen eine wichtige Rolle für die Körperhaltung.

Risse oder Verklebungen der Muskelfaszien (myofaszialen Verspannungen) werden mit Fehlhaltungen des Bewegungsapparats (muskuläre Dysbalancen) in Zusammenhang gebracht. 

Die daraus resultierenden Schmerzen behindern Sportler und Nicht-Sportler in ihrem Alltag.

Circulus-vitiosus
Circulus-vitiosus

Eine wesentliche Erkenntnis der letzten Jahre ist: Muskelfaszien sind trainierbar und therapierbar.

Es wurden verschiedene physiotherapeutischen Maßnahmen und Trainingsmethoden entwickelt. Einige davon lassen sich zu Hause sogar alleine durchführen.

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Die Beste Faszienrolle

Literaturverzeichnis

Benjamin, M. (2009). The fascia of the limbs and back – a review. J Anat. 2009 Jan; 214(1): 1–18. Abgerufen am 23. 02 2017 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2667913/

Hutterer, C. (2015). Das neue Organ und Multitalent. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin Jhg. 66 Nr. 4 2015.

Schleip, R. (2015). Faszientraining - Spannkraft für das unsichtbare Netz. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin Jhg. 66 Nr. 12 2015.

Willard, F. H., Vleeming, A., Schuenke, M. D., Danneels, & Schleip, R. (2012). The thoracolumbar fascia: anatomy, function and clinical considerations. J Anat. 2012 Dec; 221(6): 507–536. Abgerufen am 23. 02 2017 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3512278/

Bundles of muscle fibers, called fascicles, are covered by the perimysium. Muscle fibers are covered by the endomysium.

Artikel verfasst von Ralf
Ralf ist Physiotherapeut mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Schon früh hat er sich für orthopädische und chirurgische Nachbehandlungen interessiert. Über einen Zeitraum von 10 Jahren hat er Nicolas Kiefer auf der ATP-Tour begleitet und dabei alle großen Tennisstadien auf 4 Kontinenten bereist.

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