Das Schultergelenk (Glenohumeralgelenk) ist wie das Hüftgelenk als Kugelgelenk ausgebildet und ermöglicht Bewegungen des Arms in allen drei Hauptdrehachsen, die im dreidimensionalen Raum überhaupt möglich sind.
Das wirklich Besondere am Schultergelenk besteht darin, dass es nicht wie andere Kugelgelenke in seiner Position als Teil des Skeletts fixiert ist.
Die Position des Schultergelenks ist im Bezug zum Körperskelett willentlich veränderbar, weil die Gelenkpfanne Teil des Schulterblatts ist .
Sie können beispielsweise bewusst Ihre Schulter anheben oder nach vorne oder hinten bewegen, ohne dass das Kugelgelenk der Schulter in Aktion treten muss.
Das macht das Gelenk so einzigartig, aber auch so komplex. Das Schulterblatt spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Es fängt Kräfte auf und erweitert durch seine eigene „schwimmende“ Aufhängung in Muskeln und Bändern den Bewegungsspielraum der Arme.
Das Schulterblatt (Scapula) besteht aus einem flachen Knochen in Form eines Dreiecks und ist Teil des hinteren Schultergürtels.
Die Position der beiden Schulterblätter ist optisch rechts und links am Rücken auf Höhe der Brustwirbel recht gut zu sehen und seine Unterstrukturen können leicht mit den Händen ertastet werden.
Die Schulterblätter sind in ihrer seitlichen Dreiecksspitze als Kugelpfanne zur Aufnahme des Oberarmgelenkkopfes ausgebildet. Um dem Arm einen möglichst großen Bewegungsspielraum zu gewähren, ist die Pfanne recht flach.
Das wiederum erhöht die Gefahr einer (schmerzhaften) Luxation. Um dem entgegenzuwirken, hat die Evolution das Schultereckgelenk entwickelt, das aus dem Schlüsselbein und dem sogenannten Acromion gebildet wird. Das Acromion ist ein Knochenfortsatz der Schulterblattgräte.
Acromion und Schlüsselbein, das über ein Spezialgelenk die Schulter mit dem Brustbein verbindet, formen zusammen das Schultereckgelenk, das unmittelbar über dem Kugelgelenk der Schulter liegt und dieses überdacht.
Es verhindert unter anderem weitestgehend eine Luxation, ein Herausspringen des Gelenkkopfes aus der Pfanne nach oben (kranial).
Zusätzlich wird das Gelenk gegen Luxationen durch die Rotatorenmanschette geschützt, die aus mehreren Muskeln und Bändern besteht und die Gelenkpfanne regelrecht umklammert.
Wie eingangs erwähnt, bietet das Kugelgelenk der Schulter zwar Drehmöglichkeiten in allen drei Drehachsen des dreidimensionalen Raumes, aber nur mit eingeschränkter maximaler Bewegungsfreiheit.
Eine wesentliche Erweiterung des Bewegungsspielraumes trägt das Schulterblatt über seine Beweglichkeit bei.
Wir können zwar das Schulterblatt nicht willkürlich in eine bestimmte Richtung bewegen, wohl aber über willkürliche Schulterbewegungen.
Bei dem Versuch, die Schulter möglichst weit nach vorne zu strecken, bewegt sich auch das Schulterblatt ein Stück weit zur Seite. Ein fixiertes Schulterblatt würde sich in einer unangenehmen Bewegungseinschränkung der Schulter bemerkbar machen.
Der Beitrag des Schlüsselbeins (Clavicula) zur Bewegungsfreiheit der Schulter kommt vor allem bei einer seitlichen Hebung des Armes zur Geltung. Ohne Schlüsselbein wäre eine seitliche Hebung des Arms über die Horizontale hinaus kaum möglich.
Es gibt noch ein weiteres Element, das einen wichtigen Beitrag zum Bewegungsspielraum des Glenohumeralgelenks liefert. Es handelt sich dabei um den Teil der Wirbelsäule, der durch die Brustwirbel gebildet wird, also um die BWS.
Erst, wenn die BWS selbst in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt ist und evtl. Schmerzen verursacht, macht sich ihr Einfluss auf das Schultergelenk deutlich bemerkbar.
Die Vielzahl von Muskeln, Bändern und Sehnen, die an den Bewegungen der Arme beteiligt sind, machen deutlich, dass die Ursachen schmerzhafter Funktionsstörungen im Schultergelenk nicht unbedingt im Glenohumeralgelenk (Schultergelenk) selbst zu suchen sind.
Fehl- und Überbelastungen der BWS oder einseitige Belastungen bestimmter Muskelpartien, die nicht direkt mit dem Schultergelenk verbunden sind, können Auslöser für die Schmerzen sein.
Beim Versuch der Wiederherstellung der Mobilität des Schultergelenks spielen die Bewegungsmöglichkeiten des Schulterblattes eine wichtige und zentrale Rolle.
Die Schulterblätter unterliegen starken Kräften durch zahlreiche Muskeln und Bänder, die die Schulterblätter in die anatomisch „richtige“ Lage ziehen.
Das ist vergleichbar mit einem Netz, das unter Spannung steht und sofort eine Schieflage einnimmt, wenn eines der unter Spannung stehenden Leinen überspannt oder gekappt wird.
Wenn einer der am Schulterblatt angewachsenen Muskeln überlastet oder falsch belastet wird, kommt es zu einer Verschiebung der Spannungen am Schulterblatt.
Das kann zu schmerzhaften Entzündungen und Muskelschmerzen führen.
Umso wichtiger ist es, die Muskulatur der Schulterblätter durch gezieltes Training funktionstüchtig zu halten oder ihre Funktionstüchtigkeit wieder herzustellen.
Die Beweglichkeit des Schulterblatts ermöglicht nicht nur eine höhere Bewegungsfreiheit des Glenohumeralgelenks, sondern schützt es auch bei plötzlichen, punktuellen Belastungen vor einer Verletzung oder Luxation.
Das Gelenk kann typischerweise durch einen Sturz mit refelexartigem Abstützen auf den Händen kurzzeitig punktuell überlastet werden.
Ein Teil der Spitzenbelastung wird dann durch das Schulterblatt aufgefangen und abgepuffert, weil es in gewisser Weise wegen seiner „Aufhängung“ in Muskeln, Bändern und Sehnen nachgiebig ist und so die Gefahr der Luxation verringert.
Erkrankungen des Schulterblatts sind äußerst selten mit Ausnahme von Brüchen, die durch einen Unfall entstehen können und meist unter konservativer Behandlung – ohne eine OP – ausheilen.
Schmerzen im Bereich des Schulterblatts und des Schultergelenks gehen meist von der ansetzenden Muskulatur oder von den Sehnen und Bändern aus. Die häufigste Diagnose lautet Impingementsyndrom.
Durch chronische Überbelastung der Muskeln, die die Rotatorenmanschette bilden, kann es zu schmerzhaften Entzündungen im Bereich der Schleimbeutel und zu Kalkablagerungen kommen. Die Bewegungs- und Gleitmöglichkeiten der Muskeln und Sehnen werden dadurch eingeschränkt.
Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Sportarten auf, die mit häufigen Überkopfbewegungen verbunden sind wie Tennis und Golf oder bei Handwerkern, die häufig über Kopf arbeiten müssen.
Das Impingementsyndrom führt zu deutlichen Bewegungseinschränkungen in der Schulter. Ursache der Erkrankung kann auch eine Bewegungseinschränkung im Bereich der Hals- und Brustwirbel sein.
Wie oben erläutert beruht die Beweglichkeit des Schultergelenks auf mehreren Einzelkomponenten, wovon jede einzelne funktionstüchtig sein muss, um eine beschwerdefreie Bewegung des Glenohumeralgelenks zu gewährleisten.
Falls Sie Schmerzen im Schultergelenk verspüren, lohnt es sich, den Ursachen auf den Grund zu gehen und jede beteiligte Bewegungskomponente wie BWS, Schulterblatt mit den angeschlossenen Muskeln und Bändern sowie das Schultereckgelenk und das Glenohumeralgelenk selbst auf eine eventuelle Bewegungseinschränkung hin zu untersuchen.
In vielen Fällen führt eine gute Mobilisierung oder Remobilisierung der beteiligten Muskeln, Bänder und Sehnen bereits zu einer Verbesserung der Symptome.
Selbst wenn der Schmerz direkt im Schultergelenk auftritt, kann es sein, dass die Ursache der Schmerzen im Bereich der BWS, des Schulterblatts und seiner Muskeln und Bänder oder im Schultereckgelenk zu finden ist.